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Krispels „Neusetzer” wird 25 Jahre alt – Bio und aus dem Basalt

Bescheiden stieg Toni Krispel
 vor 34 Jahren in die Landwirtschaft ein. Mit dem „Neusetzer“ gelang ihm ein Speck, der heute nicht nur 
in Österreich geschätzt wird.
 350 Wollschweine zählt man heute
 am Genuss-Gut im Vulkanland (Motto: „Schwein und Wein“), das weiter auf „fleischige“ Innovationen setzt.

Toni Krispel ist ein ebenso bodenständiger wie geerdeter Charakter. Gerade hat ihm der ORF-Moderator das Mikrofon gereicht, um über die 8,2 Millionen Euro (!) teure Betriebserweiterung in Hof bei Straden zu reden. Typische Reporter-Frage: „Was ist das Tollste am Neubau?“ Wenig erwartbare Antwort Krispels: „Dass er endlich fertig ist.“ Zwei Jahre wurde am neuen Kellergebäude gebaut, der Vorlauf mit den Hamburger Architekten geht sogar fünf Jahre zurück. Der imposante Bau, der mit Kupfer die Lava zitiert, aus der das Steirische Vulkanland entstanden ist, ist der vorläufige Höhepunkt einer ungewöhnlichen Wachstumsgeschichte. Als gelernter Schlosser begann Toni Krispel 1989 mit dem Ertrag von 03, Hektar Weingarten, es waren bescheidene 600 Flaschen Weißburgunder: „Wir hatten keine Ahnung, waren aber voll motiviert“, erinnert er sich launig an diese Anfänge. Zehn Jahre später folgte allerdings ein Produkt, das ihn als Genusshandwerker über sein Heimatbundesland hinaus bekannt machen sollte: Neusetzer.

Den Wollschweinderln auf dem Genuss-Gut geht es gut. © Beigestellt

Die Geburt des Steirer-Lardo

Die Anleihe dazu nahm Toni Krispel bei den Marmortrögen aus Carrara, in denen der weltbekannte Lardo di Colonnata reift. Rückenspeck hatte Krispel von seinen Wollschweinen auch. Und die Basalt-Steinbrüche im nahen Klöch wurden das Pendant zum italienischen Stein, in dem ab 1999 am Hof gereift wurde. Der schneeweiße Speck mit dem sanft schmelzenden Geschmack verbreitete sich damals rasch unter den heimischen Haubenköchen und Genießern – anfangs durch Mundpropaganda, später durch professionelles Marketing. Bis heute denkt man die Dinge im großen Maßstab, wovon auch die Dimensionen im Weinbau, eine Domäne von Sohn Stefan Krispel, zeugen: Neun Pressen im neuen Keller und eine optische Sortiervorrichtung, an der jede einzelne Weintraube von den 135 Hektar Weingarten (davon 35 im Eigenbesitz) vorbeimuss, sprechen ebenso wie die erwähnten Investitionskosten eine deutliche Sprache. Wobei sich „Schwein und Wein“ nicht nur reimt, sondern auch bestens ergänzt. Zum einen in der Produktion, wo die Mangalitzas pro Jahr rd. 150 Tonnen Basis für den Kompost liefern, der in die Weingärten ausgebracht wird. Dazu werden Stefan Krispels Weine – allen voran der Weißburgunder, mit dem 1989 alles begann – gemeinsam mit den Wollschwein-Produkten seit zwei Jahren im umgebauten Buschenschank in kulinarisch einzigartiger Weise zelebriert. Das „Genusstheater“ der Familie bietet neben Schnitzel, Zupffleisch und rosa gebratenem Karree auch Carpaccio vom Rückenspeck. Als „Bio-Wollschweingenuss“ versammelt der Vorspeisenteller Rohschinken, Fenchelsalami, natürlich den Neusetzer und Leber-Aufstrich.
Selbst den historischen „Sautanz“ hat man aufleben lassen – einmal jährlich lädt Toni Krispel zur „Vermessung der Sau“. Gemeinsam mit Fleischwarenproduzent Eduard Scharfy unter Chef koch Daniel Weißer werden dann vergessene Gerichte wie Beuschelsuppe oder Bluttommerl kredenzt, das Wiener Schnitzerl wird im frisch ausgelassenen Fett ausgebacken. Mittlerweile komplett bio-zertifiziert (der Weinbau am Genussgut folgt mit dem Jahrgang 2023), geht der „fleischige“ Teil von Krispels Familienbetrieb weiterhin mit vielen Ideen in die Zukunft. Einige davon schilderte „Mister Neusetzer“ Toni Krispel am Rande der Keller-Eröffnung Hof Fleisch & Co.

Toni Krispel gehen die Ideen nie aus. © Markus Angerer

Fleisch & Co: Als Du vor 25 Jahren mit dem „Neusetzer“ begonnen hast, waren alte Schweinerassen nicht wahnsinnig gefragt – wie kam man da auf das Wollschwein?

Toni Krispel: „Damals wurden die Wollschweine sogar auf die Rote Liste der bedrohten Tierarten gesetzt. Diese Zeit war auch so keine gute Zeit für Schweine, wenn man an Schweinepest usw. denkt. Mir war es aber wichtig, eine alte Rasse zu erhalten und diese wieder ins Blickfeld zu rücken.“

Fleisch & Co: Der „Neusetzer“ ist das bekannteste Krispel-Produkt, doch von welchen Dimensionen reden wir eigentlich: Wie viele Wollschweine gibt es aktuell und wie erfolgt ihre Verarbeitung?

Toni Krispel: „Die Herde umfasst aktuell 350 Schweine. Seit 2005 haben wir zwei Züchter, die für uns die Muttersauen und Ferkel aufzüchten. Die Abholung der Tiere erfolgt bewusst in Kleinstgruppen, also maximal neun Schweine pro Schlachtung. Die Schlachtung erfolgt in einem regionalem Schlachtbetrieb, danach kommen die Schweine zur Fleischerei Scharfy nach Straden zur weiteren Verarbeitung. Hier werden die Tiere zerlegt und die einzelnen Produkte hergestellt. Wir haben uns ganz bewusst für eine kleine Fleischerei vor der Haustür entschieden. Zum einen, weil wir die Leute kennen und wir wissen, dass die ähnlich ticken. Und zweitens, weil Qualität und Geschmack die oberste Prämisse sind.“

Fleisch & Co: Das „Genusstheater“ – um das Wollschwein herum kreierte Gourmetmenüs von Haubenkoch Daniel Weißer – bei Euch ist einzigartig: Wie viel vom Fleisch wird ab Hof verkauft?

Toni Krispel: „50 % der Produktion geht in den Handel, der Rest teil sich auf Gastronomie und der Ab- Hof-Verkauf auf.“

Fleisch & Co: Da reden wir ja auch viel von Delikatessenhändlern – wer sind interessante Kunden außerhalb der Steiermark?

Toni Krispel: „Wir liefern z. B. zum Pöhl am Naschmarkt, ,Zum Schwarzen Kameel‘, in die Wiener Edelgreisslerei Opocensky, an die „Heimatgold“-Filialen oder den Dallmayr in München, um nur einige bekannte Namen zu nennen. Außerdem beliefern wir die gehobene Gastronomie wie das „Steirereck“ in Wien, das „Klosterbräu“ in Seefeld, aber auch das Restaurant „Vendôme“ im Grandhotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach und viele weitere. Wobei: Ein großes Thema ist für uns auch das Frischfleisch – wir bieten zum Beispiel sogar den Neusetzer in Grün an, zum Selberveredeln für die Gastronomie.“

Fleisch & Co: Der Schweinepreis ist sehr schwankend und sorgt beständig für Aufregung. Wie siehst Du als Züchter die Entwicklung?

Toni Krispel: „Ich muss auf Holz klopfen, denn wir sind hier völlig entspannt, weil uns die Schwankungen nicht betreffen. Das Wollschwein ist und bleibt ein Nischenprodukt. Wenn wir vom Schweinepreis abhängig wären, würde es das Projekt nicht mehr geben! Wir planen mit unseren Bauern in 3-Jahres-Rhythmen. Das heißt, wir legen den Preis für die Ferkel einmal fest und der bleibt dann drei Jahre gleich. Wir sind dem freien Markt also nicht ausgesetzt. Ich bedauere den konventionellen Markt sehr, die Bauern sind ,arme Schweine‘ und werden nicht fair bezahlt, die Bedingungen sind nicht gerecht, das Bauernsterben wird unweigerlich weitergehen. Warum ist das so schwer, dass es einen Fixpreis für Schweine gibt oder ähnliche Maßnahmen? Es gäbe viele Möglichkeiten, den Markt zu regulieren, keinen Schweineimport usw. Somit könnte man einen Preisverfall stoppen. Ich bin froh, dass ich mich damit nicht quälen muss.“

Fleisch & Co: Bei 25 Jahren „Neusetzer“ darf man auch in die Zukunft schauen. Gibt es neue Produktideen bei Krispel?

Toni Krispel: „Wir sind ständig am Probieren und haben einige geile Produkte in der Entwicklung: Ein Beispiel sind Wollschweingrammeln – überzogen mit einer Schokolade-Ganache und etwas Himbeerstaub (= ge- trocknete Beeren zu Pulver gemahlen, Anm. d. Red.) drauf. Das ist etwas Fruchtiges, zugleich aber mit Säure und Salz – einfach Weltklasse zum Snacken. Oder die ,Steirischen Kalamari‘…“

Fleisch & Co: Noch nie gehört! Die sind auch vom Wollschwein?

Toni Krispel: „Ja, das sind Mägen und Schlund von der Sau, einfach kross frittiert bzw. wie Kalamari verarbeitet und einfach geil. Das sind Ideen, die wir noch fertig ausreifen lassen, bis wir damit starten. Wir tüfteln gerade auch an einem Convenience-Steak: Wir ,beefen‘ es mit 800 Grad vor und der Kunde muss es nur mehr auf 52 Grad erwärmen und hat ein Super-Steak am Teller. Das wäre perfekt für alle Kochmuffel oder alle, die in der Küche einfach nicht so ausgestattet sind wie wir. Mir gehen die Ideen wirklich nicht aus!“ (lacht).

Fleisch & Co: Dann freuen wir uns auf neue Wollschwein-Ideen! Danke für das Gespräch!

Autor: Roland Graf

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